Warum ist dieses Wissen wichtig? Das Programm PyMOL bietet einen enormen Funktionsumfang, um Proteinstrukturen zu visualisieren, zu analysieren und abzuändern. Um komplexere Fragestellungen bearbeiten zu können, müssen wir uns einige weitere Funktionen erarbeiten.
Verweis Diese Übungen ergänzen die Kapitel 19 "Vergleich von Protein-3D-Strukturen" und 20 "Vorhersage der Protein-3D-Struktur, Proteindesign und Moleküldynamik".
 

Lernziel

Nach dem Bearbeiten dieser Übungen sollten Sie

  • sicher Proteinstrukturen und Sie interessierende Aspekte darstellen,
  • ein Basiswissen zu Mutationsanalysen besitzen und die hierbei verwendeten Algorithmen benennen
können.
   
Voraussetzungen Für die folgenden Übungen benötigen Sie ein lokal installiertes PyMOL-Programm.
Zudem sollten Sie  die Übungen zur Visualisierung von Protein-3D-Strukturen bereits absolviert haben. Die Installation von PyMol ist hier beschrieben.
   
Übung ProtMut_1, Reaktionszentrum eines Enzyms darstellen


Motivation Metallo-β-Lactamasen sind Zink-abhängige Hydrolasen, die β-Lactam-Antibiotika deaktivieren. Bakterien, die diese Enzyme besitzen, sind deswegen resistent gegen die genannten Antibiotika. Aus diesem Grund ist es wichtig, die genaue Funktion des Enzyms zu kennen. Ein Teilaspekt bei der Funktionsaufklärung ist die Kenntnis der genauen Struktur des aktiven Zentrums und das Wissen zur Funktion der einzelnen Residuen.

Vor Position 120 dieses Enzyms ist bekannt, dass sie bei der Katalyse von zentraler Bedeutung ist. Zudem ist die Besetzung dieser Position strikt konserviert: In einem multiplen Sequenzalignment von Metallo-β-Lactamasen findet sich dort nur Asp.

Die genaue Rolle dieses Residuums bei der Enzymfunktion war lange Zeit unklar. Üblicherweise werden in solchen Fällen Protein-Mutanten hergestellt und vermessen. Im konkreten Fall werden an Position 120 mithilfe molekularbiologischer Methoden unterschiedliche Reste eingeführt und die Veränderungen in der Enzymfunktion mit biochemischen und biophysikalischen Methoden studiert.

In dieser Übung betrachten wir zunächst das aktive Zentrum des Enzyms. Wir gehen hierbei von einer Mutante aus, in der das Asp an Position 120 durch Serin ersetzt wurde. Diese Arbeiten sind in dieser Publikation beschrieben, an der wir uns im Folgenden orientieren. Als Ergebnis der genannten Studien wurde postuliert, dass Asp-120 als starker Zink-Ligand wirkt, das Ion optimal im Hinblick auf Substratbindung positioniert und an der Ausbildung einer partiellen negativen Ladung beteiligt ist.
   
  Besorgen Sie sich die erforderlichen Datensätze.
   
Datensätze lokal speichern Laden Sie aus aus der PDB-Datenbank oder vom NCBI den Datensatz 2BC2.pdb und speichern Sie ihn in einem lokalen Verzeichnis. Der zweite Datensatz ist der von 2UYX.pdb. Um Ihnen die Arbeit zu erleichtern, wurden aus dem Originaldatensatz 2UXY.pdb für diese Übung einige, hier nicht relevante Atome entfernt. Bitte speichern Sie diese, modifizierte Version (genannt 2UYXmod.pdb) lokal auf Ihrem Rechner ab.
   
Datensatz laden Laden Sie nun 2UYXmod in PyMOL.
   
Inhalt untersuchen Verschaffen Sie sich zunächst eine Übersicht:
Aktivieren Sie dazu die Sequenzanzeige. Der Datensatz enthält eine Kette (A) sowie zwei Hetero-Atome (Zink), die zum Reaktionszentrum gehören. Diese Atome werden ganz rechts in der Liste aufgeführt. 
Cartoon-Darstellung wählen Lassen Sie sich zunächst von der Kette A eine Cartoon-Darstellung anzeigen:

Klicken Sie dazu in der Auswahlliste auf das S neben 2UYXmod und wählen Sie as/cartoon.

Verändern Sie die Farbe der Cartoon-Darstellung z.B. mit C/by ss/Helix Sheet Loop.

Zink-Atome hervorheben Lassen Sie die Zink-Atome nun mit ihren van der Waals-Radien darstellen:

Selektieren Sie beide Zn-Atome in der Sequenzzeile. Sie werden nun als Selektion (sele) in der Auswahlliste angezeigt. Wählen Sie für diese Auswahl S/as/spheres und kolorieren Sie die beiden Atome in der Farbe gray50.
Situation studieren Betrachten Sie nun das Modell. Es sind nun die Proteinstruktur und die beiden Zink-Atome erkennbar. Allerdings werden die intimen Wechselwirkungen in dieser Darstellung nicht sichtbar.
Aktives Zentrum genauer darstellen Laut Publikation sind die folgenden Residuen an der Koordination der Zinkatome beteiligt und bilden das aktive Zentrum:
  His116, His118, Asp120, His196, Cys 221, His263.
 


Außerdem liegt Arg121 in unmittelbarer Nähe der Zink-Atome.

Weiterhin sind zwei Wassermoleküle in die Bindung mittels Wasserstoffbrückenbindungen involviert, diese Wassermoleküle sind in dieser Kristallstruktur allerdings nicht sichtbar.
 
Bindungen können nur ausgebildet werden, wenn bestimmte Abstandskriterien erfüllt werden. Wir wollen daher alle Residuen bestimmen, die maximal 4 Å von Zinkatomen entfernt liegen.
Stellen Sie sicher, dass die Selektion (sele) nur die beiden Zink-Atome umfasst.
Benutzen Sie anschließend für (sele) die Option A/modify/around/residues within 4 A.



Überprüfen Sie nun in der Sequenzzeile, welche Residuen ausgewählt wurden. Lassen Sie sich diese Residuen der Stick-Darstellung anzeigen. Sie können sich zusätzlich als Label die Residuennamen anzeigen lassen (L/residues).
Schalten Sie für das gesamte Protein die Cartoon-Darstellung ab. Sie sehen jetzt das aktive Zentrum dieses Enzyms.

Die dargestellten Residuen sollten mit denen übereinstimmen, die oben genannt wurden. Vergleichen Sie hierfür die Label mit obiger Liste.

Aufgrund der Mutation wird die Position 120 nicht gefunden.
Lassen Sie zusätzlich Haupt- und Seitenkette von Ser120 darstellen und markieren Sie diese in blau.
Hier finden Sie zur Überprüfung Ihrer Arbeit eine Lösung.

 

Übung ProtMut_2, Mutation einführen und optimieren
   
Motivation Die Methoden der Mutationsanalyse, der Energieminimierung und ganz allgemein Molecular Modelling hat das Ziel, die 3D-Struktur von Proteinen unter Verwendung von Kraftfeldern präzise vorherzusagen.

In dieser Übung wollen wir Möglichkeiten und Grenzen dieser Algorithmen untersuchen. Das von uns verwendete Verfahren ist ein einfaches, da für eine fundierte Analyse ausführliche Simulationen mit entsprechenden Laufzeiten auf größeren Rechnern erforderlich sind. Daher verwenden wir hier Funktionen, die in PyMOL implementiert sind.

  Das Protein, das wir oben untersucht haben, enthält eine Punktmutation an Position 120. Das wildtypische Enzym aus Bacillus cereus besitzt an dieser Stelle ein Asp.

Da die Struktur dieses wildtypischen Enzyms bekannt ist, wollen wir in obiger Mutante diese Veränderung rückgängig machen und anschließend untersuchen, ob die Orientierung der Seitenkettenatome, die sich nach Energieminimierung ergeben, mit der im Wildtyp übereinstimmt.
 
Positionieren des Proteins

Reinitialisieren Sie zunächst PyMOL und laden Sie danach den Datensatz 2UYXmod.pdb neu.

Lassen Sie sämtliche Wasserstoffatome, die im PDB-Datensatz nicht enthalten sind, hinzufügen mit A/hydrogens/add. Die Existenz dieser Wasserstoffe ist für die folgenden Analysen wichtig.

Deaktivieren Sie nun jegliche Darstellung (H/everything).

Lassen Sie Residuum Ser120 in Stick-Darstellung und in rot anzeigen.

Wir wollen nun auch die unmittelbare 3D-Umgebung des Residuums darstellen lassen. Selektieren Sie dazu alle Residuen im Umkreis von 6 Angström um Ser120. Aktivieren Sie für diese Selektion die Lines-Darstellung und ändern Sie die Farbe zu grau.

Lassen Sie von den Zinkatomen die van der Waals Oberflächen in braun darstellen (zu finden in der Farbgruppe rot).

Verändern Sie anschließend die Darstellung so, dass das rot-markierte Ser120 mittig und gut sichtbar im Darstellungsfenster liegt. Zoomen Sie soweit in das Protein, dass Sie nur noch die nähere Umgebung dieses Residuum sehen und positionieren Sie das Protein so, dass die Ser-Seitenkette möglichst frei vor dem Hintergrund zu liegen kommt.

Mit diesen Ma&szling;nahmen wird das Picken des Restes für die nachfolgenden Aktionen erleichtert.

Mutation ausführen
Mutieren Sie die Position 120 zu einem Asp.
   
Anleitung

Benutzen Sie die Funktion Wizard/Mutagenesis und picken Sie die Ser120-Seitenkette. Ändern Sie die Aminosäure von No Mutation zu Mutate to ASP.



Klicken Sie auf die markierten Pfeile unten rechts im Viewer-Fenster und beobachten Sie die Darstellung. Es wird jeweils ein anderes Rotamer der Seitenkette ausgewählt und dargestellt. Beim Klicken auf den dazwischenliegenden Pfeil wird automatisch durch alle Lösungen iteriert.

Die für jedes Rotamer zusätzlich angezeigten farbigen Scheiben und Striche bedeuten folgendes:

grün: Atome sind fast in Kontakt oder überlappen sich leicht.
rot: Dieses Rotamer bedingt große sterische Probleme, die korrigiert werden müssen. Es entstand ein signifikanter Überlapp der van der Waals Radien.
orange: Eine Situation, die zwischen "rot" und "grün" liegt.

Entscheiden Sie sich für ein Rotamer, dass möglichst wenig sterische Probleme einführt.

Bestätigen Sie ihre Wahl mit Apply. Erst dann wird die Mutation wirklich durchgeführt. Mit Done können Sie den Mutagenesis Wizard beenden.

Polare Interaktionen

Sie können Ihre Rotamerwahl noch zusätzlich auf energetisch günstige polare Interaktionen überprüfen.

Selektieren Sie dazu das mutierte Residuum Asp120 und wählen Sie die Option A/find/polar contacts/to other atoms in object. Es sollten nun mindestens drei, optimalerweise vier Wechselwirkungen angezeigt werden. Falls nicht, überprüfen Sie nochmals die Rotamerwahl.

   
Vergleich mit der Situation im Wildtyp Wir wollen nun die resultierende Lage der Seitenkette mit der im Wildtyp vergleichen.

Laden Sie hierzu den Datensatz 2BC2.pdb, welcher zwei Ketten A und B umfasst. Die Nummerierung der Reste in diesem Datensatz unterscheidet sich von der in 2UYX.

Strukturen optimal überlagern

Im Viewer sind nun zwei Datensätze geladen. Zunächst wollen wir die Datensätze superpositionieren und uns dabei auf die CA-Atome beschränken. Der Kommandozeilenbefehl dafür lautet:

align (2B2C and name ca), (2UYXmod and name ca)

In der Anzeige des Menüfensters wird mit dem RMSD-Wert ein Maß für die Qualität der Überlagerung angegeben. Der Wert von 0.257 Angström entspricht der mittleren Abweichung von 185 einander zugeordneten CA-Atomen und somit einer fast perfekten Überlagerung.

Allerdings wird die Darstellung im Viewer nun sehr unübersichtlich sein. Dies müssen wir ändern, da wir nur an der Lage weniger Seitenketten interessiert sind.

 
Relevante Positionen auswählen Stellen Sie zunächst fest, mit welcher Kette von 2BC2 PyMOL die 2UYXmod Struktur überlagert hat. Deaktivieren Sie anschließend für 2BC2 jegliche Darstellung.

Lassen Sie exklusiv die Seitenkette des Restes Asp90 (richtige Kette wählen!) in der Stick-Darstellung anzeigen und markieren Sie ihn grün. Diese Position entspricht der Position 120 in der Mutante.

 
Vergleichen Sie die Ausrichtung der Seitenkette in beiden Strukturen.
   
Ergebnis Sie erkennen, dass die oben gewählte Rotamerausrichtung gut passt, aber nicht exakt der des Wildtyps entspricht.

Dies kann mehrere Gründe haben. Die wichtigsten sind:

1) Die beiden Wasser-Moleküle, die für die Positionierung der Zink-Atome wichtig sind, werden hier nicht berücksichtigt.
2) PyMOL lässt bei der Mutation nur eine kleine Menge häufig beobachteter, diskreter Rotamere zu, welche nicht notwendigerweise den lokalen Bedingungen im Protein genügen.

RosettaDesign-Server

Die bisher erzielten Ergebnisse belegen, dass wir in der Lage sind, mit relativ einfachen Mitteln die Position der Seitenketten zumindest annähernd zu bestimmen. Allerdings können wir anhand dieser Betrachtung keine Aussage über den Effekt der Mutation auf die Stabilität des Proteins oder die Enzymaktivität machen.

Für eine genauere Bewertung des Einflusses von Mutationen auf die Proteinstabilitäten bietet die Bioinformatik andere Werkzeuge. Zu den bekanntesten Programmpaketen für die Zwecke des Enzymdesigns gehört RosettaDesign, das auch als frei verfügbarer Webserver genutzt werden kann. Sie können sich dort anmelden und eine PDB-Datei zusammen mit einer Liste der gewünschten Mutationen übergeben.

Je nach Auslastung müssen Sie auf die Ergebnisse mehrere Tage warten. Daher finden Sie hier bereits die Ergebnisse für die Ausgangsstruktur (2UYX) und die Punktmutante (S120D), die dem wildtypischem Enzym entspricht. Speichern Sie die beiden Dateien lokal und öffnen Sie diese mit einem Texteditor (z.B. Notepad++).

Die Dateien beinhalten zum einen die Struktur im PDB-Format und im zweiten Abschnitt eine detaillierte Tabelle mit zahlreichen Energiewerten. Die für Sie relevanten Informationen finden Sie in den Zeilen beginnend mit pose und SER_81 bzw. ASP_81. Der Wert für die Gesamtenergie steht jeweils am Ende der Zeile.

Die Energiewerte (Rosetta-Scores) können NICHT direkt physikalisch interpretiert werden, allerdings gilt auch hier, dass eine negativerer Wert einer höheren Proteinstabilität entspricht.

 

Welchen Effekt auf die Stabilität des Proteins erwarten Sie durch die Punktmutation?

Beachten Sie, dass die Aminosäure Asp an dieser Stelle in natürlich vorkommenden Enzymen streng konserviert ist.
Wie passt dieser Befund mit dem vorhergesagten Effekt auf die Proteinstabilität zusammen?

   
Aktive Zentren vergleichen

Um die Übereinstimmung der aktiven Zentren zu überprüfen, sollen Sie sich folgende Residuen und Hetero-Atome anzeigen lassen:

2UYX: His116, His118, Asp120,  His196 und Cys 221, His263, ZN1296, ZN1297
2BC2: His86, His88, Asp90,  His149, CSD168 und His210

Färben Sie beide aktive Zentren unterschiedlich ein.

   
  Vergleichen Sie die aktiven Zentren, d. h., die Ausrichtung der Seitenketten. Wo gibt es Übereinstimmungen, wo treten Unterschiede auf?
   

Was Sie jetzt verstanden haben sollten

Mutationen in Proteinen können mit Hilfe bioinformatischer Methoden bewertet werden. Algorithmen zur Berechnung der Energie von Proteinkonformationen werden in der Bioinformatik breit eingesetzt.