Warum ist dieses Wissen wichtig?

Die Grundbausteine der Proteine sind die Aminosäuren. Diese werden bei der Proteinsynthese unter Ausbildung kovalenter Bindungen zu einer Peptidkette kombiniert, die in der Regel eine wohldefinierte Raumstruktur einnimmt. Diese wird bedingt zum einen durch die physikalisch-chemischen Eigenschaften der an der Peptidkette beteiligten Aminosäuren und zum anderen durch die Freiheitsgrade, die sich aufgrund der chemischen Bindungen ergeben. Aufeinander folgende Aminosäuren sind über eine Peptidbindung miteinander verknüpft. Die aus dieser Bindung resultierenden Konsequenzen sind im Kapitel "Biologische Grundlagen" ausführlich erläutert. Wichtig ist, dass die 3D-Struktur eines Proteins ganz wesentlich bestimmt wird durch nichtkovalente Bindungen zwischen Atomen unterschiedlicher Aminosäurereste. Zu diesen Bindungen gehören auch Wasserstoffbrücken. Die Wasserstoffbrücken, die Atome des Proteinrückgrats (backbone) verknüpfen, sind verantwortlich für die Ausbildung der Sekundärstrukturelemente. Die wichtigsten sind α-Helices und β-Faltblätter. Diese beiden werden Sie im Folgenden genauer studieren. Schließlich werden sie Cluster von Sekundärstrukturelementen, sogenannte Supersekundärstrukturen kennenlernen.

Bezug Diese Übungen ergänzen das Kapitel 1 "Biologische Grundlagen".
   

Lernziel

Nach dem Bearbeiten der Übung sollten Ihnen
  • die wichtigsten Eigenschaften von Aminosäuren,
  • die Peptidbindung,
  • die wichtigsten Sekundärstrukturelemente
vertraut sein.
 
übung Prot_Str_1, Aminosäuren
In Proteinsequenzen werden die aufeinander folgenden Residuen üblicherweise im Einbuchstaben- oder Dreibuchstabencode notiert. Dieses einfachste aller Proteinmodelle ist auch das am stärksten abstrahierende. Da die Sequenz die Raumstruktur eines Proteins determiniert, hat dieses Modell seine Berechtigung und ist für viele Anwendungen  ausreichend. Allerdings ist es häufig nicht möglich, unter Verwendung eines Algorithmus aus der Sequenz die 3D-Struktur vorherzusagen. In dieser Übung sollen Sie sich anhand eines Beispiels klar machen, dass mit einem Symbol in einer Zeichenkette (der Sequenz) ein komplexes chemisches Molekül, nämlich eine Aminosäure spezifiziert wird.

Dieses Molekül kann in zwei Teile gegliedert werden, einen in allen Aminosäuren gleichen Anteil, der den Hauptkettenverlauf (das Rückgrat oder backbone) ausmacht und eine Seitenkette, die in jedem Aminosäuremolekül einen anderen Aufbau hat und die physikalischen und chemischen Eigenschaften determiniert.  
   
  Betrachten Sie die Strukturformel und die Raumstruktur der Aminosäure Phenylalanin.
  • Machen Sie sich klar, dass sich aufgrund der Amino- und Carboxylgruppe in Proteinsequenzen eine eindeutige Strangrichtung ergibt. 
  • Studieren Sie die räumliche Anordnung der einzelnen Gruppen.
  • Welche Freiheitsgrade hat die Seitenkette?
   
Struktur von
Aminosäuren
Strukturformel (links) und 3D-Struktur (rechts) der Aminosäure Phenylalanin.

Der in allen Aminosäuren gleichartige Anteil ist in der Strukturformel grau unterlegt. In jeder Aminosäure ist mit dem zentralen C-Atom ein Wasserstoffatom (unten), eine Aminogruppe (links), eine Carboxylgruppe und eine Seitengruppe verknüpft.

Hinweise Wenn Sie den Mauszeiger über das mit "JSmol" beschrifte Fenster bewegen und einmal klicken, interpretiert das Visualisierungsprogramm JSmol die folgenden Mausbewegungen und -klicks. Untersuchen Sie die Struktur genauer:

Drehen des Mausrädchens verändert die Größe des Modells.

Solange die linke Maustaste gedrückt bleibt, verändert jedes Bewegung des Mauszeigers die räumliche Ausrichtung des Modells.
Klicken der rechten Maustaste lässt ein Menü erscheinen, das wir in diesen Übungen noch ignorieren.
 
Üben Sie bitte das Ausrichten des Modells.

Richten Sie die Struktur so aus, dass Sie alle Atome gut sehen können. Wenn Sie den Mauszeiger über einem Atom positionieren, wird Ihnen die Atomnummer und das chemische Symbol angezeigt. Können Sie die Elemente der Amino- und der Carboxlygruppe identifizieren?
Wofür stehen die Farben der Kugeln?
 
Übung Prot_Str_2, Peptidbindung

In der folgenden Abbildung, die Sie aus Kapitel 1 kennen, ist die Peptidbindung schematisch dargestellt. Sie können erkennen, dass die an der Bindung beteiligten Atome jeweils starr in einer Ebene liegen und dass jede Peptidbindung durch die Angabe von zwei Winkeln (Φ, Ψ) determiniert ist. Der Winkel ω spielt bei der Beschreibung von Proteinen keine Rolle, da er nur zwei Werte (0° und 180°) annehmen kann und der zweite Wert äußerst selten in Proteinen auftritt.

 
Konformation der Peptidbindung.
Die an einer Peptidbindung beteiligten sechs Atome liegen jeweils in einer Ebene (jeweils grau markiert). In dieser Abbildung sind für die grün markierte Aminosäure die zwei Peptidbindungen gezeigt (jeweils rot markiert), an denen sie beteiligt ist. Der Aminosäurerest an der betrachteten Position ist mit R bezeichnet. Die räumliche Anordnung des Hauptkettenverlauf eines Polypeptids ..-Cα-C-N-Cα-C-N-Cα-.. wird bestimmt durch das für jede Position (jedes Residuum) anzugebende Paar von Winkeln ( Φ, Ψ ) , mit dem die Lage der durch die Peptidbindung aufgespannten Flächen relativ zum Cα -Atom festgelegt ist.

Das folgende Modell enthält die 3D-Struktur zweier Aminosäuren, die durch eine Peptidbindung verknüpfte sind. Die beiden Aminosäurereste wurden hierbei weggelassen. Machen Sie sich bitte mit dieser räumlichen Anordnung vertraut: 

  Welche Atome gehören zu jeweils einem Aminosäurerest?
Wo liegen die phi- und psi-Winkel?
   
 
   

Topologie der
Peptidbindung

           
         
Beschriftung
Residue 2
     
           
Rot.-Winkel
an C
α
     
 
   
Hinweise Um Ihnen die Orientierung zu erleichtern, können Sie mithilfe der Tasten, die rechts eingefügt wurden, das Residuum 2 markieren.
Mit den Tasten, die mit Psi und Phi markiert sind, können Sie die Achsen der zugehörigen Winkel gelb markieren.
   
Übung Prot_Str_3, Alpha-Helices
  Sind die ( Φ, Ψ )-Winkel aufeinander folgender Residuen konstant, so ergeben sich helikale Strukturen. Am häufigsten kommt die α-Helix vor. In der α-Helix besteht jeweils eine Wasserstoffbrückenbindung zwischen der CO-Gruppe einer Aminosäure und der NH-Gruppe der viertnächsten. Es machen jeweils 3,6 Aminosäuren eine vollständige Drehung aus.
   
  Machen Sie sich mit der α-Helix vertraut:
Zwischen welchen Atomen werden Wasserstoffbrücken ausgebildet?
   
 
 
           

α-Helix aus Karyopherin alpha

           
  Stächen-
Modell
  Sekundär-
struktur
  Back-
bone
       
α-Helix    
           
Wasserstoff-
brücken-
bindungen
     
 
  Die rechts eingefügten Tasten erlauben es, drei unterschiedliche Darstellungsmode für Proteinstrukturen zu aktivieren und die Lage der Wasserstoffbrücken einzutragen.

Bitte studieren Sie jetzt die Struktur dieses Proteins, das fast vollständig aus α-Helices besteht. Vergleichen und analysieren Sie bitte auch die Sekundärstruktur und deren Darstellungsweise.

 

Übung Prot_Str_4, Beta-Faltblätter
  Das zweite, wichtige Sekundärstrukturelement ist das β-Faltblatt. Ein β-Faltblatt besteht aus einzelnen β-Strängen, die meist 5-10 Residuen lang sind. Zwischen den Residuen unterschiedlicher Stränge werden Wasserstoffbrückenbindungen ausgebildet. Hierbei sind die C=O-Gruppen des einen Stranges mit den NH-Gruppen des nächsten Stranges verknüpft. Auf diese Weise können mehrere Stränge zu einem Blatt verbunden sein. Die Cα-Atome aufeinander folgender Residuen kommen abwechselnd über oder unter der Ebene, die durch das Faltblatt aufgespannt wird, zum liegen. Die Stränge können in zwei Richtungen verlaufen:
  • parallel; die durch N- und C-Terminus vorgegebene Richtung in nebeneinander liegenden Strängen ist die selbe
  • antiparallel; die Richtung nebeneinander liegender β-Stränge wechselt alternierend.

Im Proteininneren sind die β-Faltblätter meist parallel. An der Proteinoberfläche sind sie häufig antiparallel. Dann ragen die Aminosäurereste der einen Seite in die (hydrophile) Umgebung, während die der anderen zum hydrophoben Kern hin ausgerichtet ist. Hieraus ergibt sich im Idealfall in der Sequenz ein charakteristischer Wechsel von hydrophilen und hydrophoben Aminosäuren. Nutzen Sie die Darstellung des β-Faltblatts, um folgende Fragen zu beantworten:

   
In welche Richtung ragen die Aminosäurenseitenketten?
Welche Aminosäuren ragen ins Proteininnere, welche in das umgebende Medium?
Können Sie eine auffällige Abfolge hydrophiler und hydrophober Aminosäurereste ausmachen?
   
 
 

β-Faltblatt aus der B1-Domäne des
Proteins G von
Streptococcus

  Stäbchen-
Modell
  Sekundär-
struktur
 
     
β-Strang    
β-Faltblatt    
Gesamte
Domäne
   
         
Wasserstoff-
brücken-
bindungen
   
 
  Häufig liegen β-Faltblätter sandwichartig aufeinander. Bitte betrachten Sie nun folgende Struktur, die fast vollständig aus Faltblättern besteht.
   
  Machen Sie sich mit Faltblättern vertraut: Können sie grob die 3D-Struktur von β-Sandwiches beschreiben?
Sind Sie planar? Erstellen sie eine grobe Statistik zur Länge der einzelnen β-Stränge.
 
Übung Prot_Str_5, Supersekundärstrukturelemente
In vielen Proteinen finden sich reguläre Anordnungen von Sekundärstrukturelementen. Diese charakteristischen Abfolgen dienen z. B. in der SCOP-Datenbank dazu, Proteine zu kategorisieren, d. h. in Familien und Superfamilien einzuordnen. Ein schönes Beispiel für eine regelmäßige Abfolge von 2D-Elementen zeigt die folgende Darstellung.  
Das (βα)8-Fass
3D-Struktur des Enzyms Fructose-1,6-biphosphat-Aldolase.
Sie gehört zum Faltungstyp des (βα)8-Fasses.
 
Bestimmen Sie die Abfolge der Sekundärstrukturelemente.
Können Sie eine gewisse Periodizität erkennen?
   
Hinweise Benutzen Sie für die Beantwortung dieser Fragen den zugehörigen Eintrag der PDBsum-Datenbank am EBI. In diesem Eintrag wird die Abfolge der Sekundärstrukturelemente graphisch aufbereitet dargestellt.
   

Was Sie jetzt verstanden haben sollten

Proteine sind Makromoleküle, die aus einer Kette aneinandergefügter Aminosäuren bestehen. Die Peptidbindung verknüpft die einzelnen Aminosäuren. Protein werden häufig durch den räumlichen Verlauf der Hauptkettenatome charakterisiert. Wasserstoffbrückenbindungen zwischen Hauptkettenatomen determinieren zwei wichtige Sekundärstrukturelemente, die alpha-Helices und die beta-Stränge. Der variable Teil der Aminosäure wird Residuum oder Rest genannt.